Online-Arzt-Dienste in Deutschland: Eine Übersicht
Deutschland war lange Zeit skeptisch gegenüber sogenannten Fernbehandlungen. Dabei treffen der Online Arzt und seine Dienstleistungen nicht nur das Lebensgefühl einer internetaffinen Gesellschaft, sondern diese Praxis stellt für viele Verbraucher eine echte Erleichterung dar. Das sieht auch der Deutsche Ärztetag so. Im Mai 2018 wurde das Fernbehandlungsverbot deutlich gelockert. Doch welche Telemedizinportale gibt es eigentlich und wie erkennen Patienten, ob der Online Arzt seriös ist?

↓ Statistiken
↓ AppDoc
↓ Intimarzt
↓ Teleclinic
↓ DocDirekt
↓ International
↓ Fazit
Jeder dritte Deutsche würde einen Online Arzt befragen
Beratung und Behandlung via Internet sind in Deutschland erlaubt, sofern bei der Befunderhebung, Behandlung und Dokumentation die ärztliche Sorgfaltspflicht gewahrt bleibt. Beachtet werden muss dabei, dass Patienten vollumfänglich über Art und Besonderheit dieser Dienstleistung aufgeklärt werden, bevor sie sich für den Online Arzt entscheiden. Wie eine Studie des Digitalverbandes Bitcom mit 1005 Probanden ab 16 Jahren herausgefunden hat, wissen die Patienten ohnehin, was sie wollen. Denn jeder dritte Deutsche kann sich vorstellen, einen Online Arzt in Anspruch zu nehmen. 64 % schätzen den Vorteil, auf diese Weise Zugang auch zu einem weiter entfernt praktizierenden Arzt zu haben, 53 % freuen sich über die Zeitersparnis, die ihnen eine Telesprechstunde bringt. Viele Patienten trauen sich zu bestimmten Jahreszeiten, in denen die Grippewelle kursiert, gar nicht erst mit ihren Beschwerden zum Arzt aus Angst, sich im Wartezimmer anzustecken. Das geben rund 43 % der Befragten als Vorteil eines Fernarztportals an. 34 % betonen, dass Onlinesprechstunden lange Anfahrtswege vermeiden und 33 % der Studienteilnehmer schätzen es, bei Krankheit auf diese Weise einfach zu Hause bleiben zu können.
Online Arzt Service in Deutschland – das sind die Anbieter
Die Telemedizin ist in Deutschland noch ein sehr junger Zweig. Mittlerweile konnten sich jedoch neben den ausländischen Portalen rein deutsche Anbieter auf dem Markt etablieren, bei denen der Patient nicht nur sicher sein kann, dass er von hierzulande praktizierenden Ärzten beraten wird, sondern dass die einzelnen Portale strengen Qualitätskontrollen unterliegen und sich an die Standards einer Arztpraxis halten.
Intimarzt
Viele Patienten begrüßen zwar die Lockerungen im Bereich Fernbehandlungen, scheuen sich aber trotzdem davor, sich einem Unternehmen anzuvertrauen, das seinen Sitz außerhalb Deutschlands hat. Wichtig ist zudem die Anbindung des Portals und des jeweiligen Online Arzt direkt an renommierte medizinische Zentren, sodass die Fernbehandlung dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht. Diese Lücke schließt das Heidelberger Portal Intimarzt. Es entstand aus einer Initiative von Medizinern und Wissenschaftlern der Heidelberger Uniklinik sowie des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg hat Intimarzt intensiv geprüft und als Modellprojekt bestätigt. Die Qualitätssicherung des Angebotes erfolgt über das Universitätsklinikum in Essen. Während die meisten ausländischen Telemedizinportale eine Vielzahl an Beschwerdebildern im Portfolio haben, ist Intimarzt ausschließlich auf Geschlechtskrankheiten spezialisiert. Viele Patienten empfinden das als Erleichterung, schließlich handelt es sich dabei um Beschwerden, mit denen der Gang zum niedergelassenen Arzt als peinlich empfunden wird. Die Kontaktaufnahme ist auf Wunsch vollständig anonym. Patienten reichen über ein Formular Fotos und Beschreibungen ihrer Beschwerden ein. Einer der ausschließlich in Heidelberg praktizierenden Mediziner von Intimarzt mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung schaut sich den Fall intensiv an und gibt binnen weniger Stunden eine Einschätzung sowie Handlungsempfehlung ab. Da viele Beschwerden im Bereich Geschlechtskrankheiten mit nicht-rezeptpflichtigen Medikamenten behoben werden können, reicht diese Konsultation mit dem Online Arzt oft aus, was für Betroffene eine spürbare Erleichterung darstellt. Der Online Arzt von Intimarzt wird jedoch auch klar Stellung beziehen, wenn der Gang in eine Arztpraxis angebracht ist. Das Portal selbst kooperiert nicht mit einer Apotheke, Rezepte stellen die Ärzte nicht aus. Transparent ist nicht nur das Beratungssystem, sondern auch die Bezahlung: Patienten zahlen für die medizinische Konsultation den Einheitspreis von 24,95 Euro, ohne Abonnements.
AppDoc
AppDoc bietet eine weitere Möglichkeit für Patienten an, sich bei Hautproblemen eine Ersteinschätzung von einem deutschen Facharzt geben zu lassen. Damit schließt der von Heidelberger Hautärzten und Wissenschaftlern entwickelte Dienst die Lücke zwischen nervenaufreibender Google-Recherche und dem häufig als lästig empfundenen Besuch in der Arztpraxis. Der Befund erfolgt ausschließlich durch einen in Heidelberg praktizierende Hautfachärzte, die externen Qualitätskontrolle stellt das Universitätsklinikum Essen sicher. Für den Einheitspreis von 24,95 Euro laden Patienten Fotos und Beschreibung ihres Problems per App oder Internet hoch. Das kann auf Wunsch völlig anonym erfolgen. Innerhalb weniger Stunden, maximal jedoch innerhalb eines Tages, erfolgt die Antwort des Heidelberger Hautarztes, der Patienten bei nicht aus der ferne behandelbaren Beschwerden den Besuch eines niedergelassenen Facharztes empfiehlt und in leichten Fällen berät, welches rezeptfreie Mittel geeignet ist.
TeleClinic
Das Münchner Unternehmen TeleClinic wurde 2015 gegründet und beschäftigt 43 Mitarbeiter. Das Ärztenetzwerk des Unternehmens besteht aus 30 Medizinern, die in Deutschland zugelassen sind und dort neben ihrer Tätigkeit als Online Arzthäufig in einer Praxis oder Krankenhaus arbeiten. Die TeleClinic ist rund um die Uhr 365 Tage erreichbar. Zunächst übermitteln Patienten im Chat, Anruf oder Videochat ihre Beschwerden. Anhand der Schilderung wählt TeleClinic den passenden Online Arzt aus. Das Arztgespräch selbst findet so schnell wie möglich oder an einem mit dem Patienten vereinbarten Termin statt. Privatversicherte können die Kosten für die TeleClinic bei ihrem Versicherer einreichen. Daneben gibt es Kooperationspartner, die ihren Versicherten die Leistungen der TeleClinic kostenfrei zur Verfügung. Kassenpatienten zahlen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), was bedeutet, dass Gespräch, Arztbrief, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und Rezept 37,54 Euro kosten. An Sonn-und Feiertagen wird ein Aufschlag erhoben. Stellt der Online Arzt ein Rezept aus, wird dieses bei einer Partnerapotheke, die sich in der Nähe des Patienten befindet, via App eingereicht. Steht die Medizin zur Abholung bereit, erfolgt eine Benachrichtigung. Im Gegensatz zu den meisten anderen Anbietern stellt der Online Arzt der TeleClinic private Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus, die sämtliche Formvorschriften erfüllen und in der Regel von Arbeitgebern vollumfänglich anerkannt werden. Die TeleClinic nimmt jedoch nur kurzfristige Krankschreibungen vor. Bei längerer Krankheit, für die der Bezug von Krankengeld infrage kommt, muss der Patient sich an einen niedergelassenen Arzt wenden.
docdirekt – nur in Baden-Württemberg
docdirekt startete als Modellprojekt der Landesärztekammer Baden-Württemberg für gesetzlich Krankenversicherte in den Landkreisen Stuttgart und Tuttlingen, wurde nach dem großen Erfolg jedoch auf das ganze Bundesland ausgeweitet. Bei docdirekt ist vorab eine telefonische Registrierung notwendig, bei der persönliche Daten sowie die Versichertennummer angegeben werden müssen. Nutzen können Patienten den Service am PC oder über eine App. Zunächst vereinbart ein Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung den Termin mit einem Online Arzt. Handelt es sich um einen Notfall, wird die Rettungsleitstelle informiert. Der Online Arzt meldet sich dann zur vereinbarten Zeit per Videochat bei dem Patienten. Oft ist es nötig, den Patienten an einen niedergelassenen Arzt zu überweisen, weshalb das Portal mit sogenannten PEP-Praxen kooperiert. Die Abkürzung steht für Patientennah Erreichbare Portalpraxis. Im Gegensatz zu den international tätigen Telemedizinportalen stellt docdirekt keine Rezepte aus. Auch Krankschreibungen sind über das Portal nicht möglich. Das Behandlungsspektrum der Ärzte aus Baden-Württemberg umfasst klassische hausärztliche Beschwerdebilder sowie den Bereich Kinder- und Jugendmedizin.
Online Arzt Service im Ausland – blühendes Geschäft mit Rezepten
Während bei den deutschen Anbietern die Beratung im Vordergrund steht, die ausdrücklich nicht den Arztbesuch ersetzen soll, sieht das bei den vornehmlich britischen Anbietern auf dem Markt ganz anders aus. Hier drehen sich die Dienstleistungen eher darum, von der Antibabypille bis Viagra schnelle und diskrete Rezepte auszustellen, die von den jeweiligen Partnerapotheken versandt werden.
Dr.Ed heißt jetzt Zava
Zava ist den meisten noch unter dem Gründungsnamen Dr. Ed ein Begriff. Der britische Telemedizindienstleister expandiert aktuell stark in Deutschland. Seit dem Start im Jahr 2011 haben sich rund zwei Millionen Patienten in England, Irland, Deutschland, Österreich der Schweiz und Frankreich für den Online Arzt mit Sitz in London entschieden. 20 approbierte Ärzte, die in der jeweiligen Landessprache der Patienten stadardisierte Patientenfragebögen auswerten, sind per Telefon, Chat oder Video rund um die Uhr erreichbar. Experten gibt es bei Zava in den unterschiedlichsten Bereichen. Patienten zahlen bei diesem Online-Arzt eine Behandlungsgebühr zwischen 9 und 29 Euro. Hinzu kommen Kosten für eventuelle Tests, die sich auf eine Summe von 29 bis 49 Euro belaufen. Rezepte, die der Online Arzt ausstellt, werden direkt über eine Versandapotheke im Ausland abgewickelt.
Fernarzt – englischer Online Arzt mit deutschem medizinischen Beirat
Das Telemedizinportal Fernarzt hat seinen Sitz ebenfalls in London, wo die Gesetze traditionell flexibler im Bereich medizinische Onlinedienste sind. Alle für Fernarzt tätigen Mediziner sind im britischen General Medical Council registriert. Die Behandlung durch den Online Arzt erfolgt in deutscher Sprache. Über die Dienstleistungen von Fernarzt wacht ein medizinischer Beirat aus deutschen Ärzten, der bei der Auswahl der praktizierenden Fernärzte beratend zur Seite steht. Fernarzt kooperiert mit einer Partnerapotheke in den Niederlanden, die den Versand schnell und diskret übernimmt. Die von Fernarzt berechnete Behandlungsgebühr beträgt zwischen 15 und 29 Euro für Auswertung des Fragebogens und Verschreibung des Medikaments. Patienten müssen das jeweilige Medikament extra zahlen und eine eventuelle Übernahme durch die Krankenkasse selbst klären.
DoktorABC
Jeder Online Arzt, der bei dem britischen Telemedizinportal DoktorABC Patienten berät und behandelt, ist in der EU zugelassen. Das Unternehmen selbst ist von der MHRA – Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency zertifiziert. Diese Agentur stellt sicher, dass medizinische Dienstleister im Einklang mit den geltenden Gesetzen arbeiten. Bei DoktorABC findet die Konsultation anhand eines Fragebogens statt, den der Patient ausfüllt und über das Portal einreicht. Gefordert sind allgemeine Informationen zur Krankengeschichte sowie zu den aktuellen Beschwerden. Anhand dieser Daten stellt der Online Arzt das Rezept aus, das sofort bei einer Partnerapotheke in der EU eingereicht wird. Der Versand erfolgt per Express, wodurch Patienten ihr Medikament schnell erhalten. Verschickt werden nur Originalmedikamente. Die Kosten bei DoktorABC richten sich nach dem ausgewählten Medikament, das die Patienten bereits auf der Homepage anklicken können. Insofern ist der Service nicht als Online Arzt zu verstehen, sondern richtet sich an Patienten, die schnell ein Rezept brauchen.
Dokter Online
Sitz des Unternehmens Dokter Online ist die Karibikinsel Curacao, die ein autonomes Land innerhalb des Königreiches der Niederlande ist. Elf Ärzte, die in der EU zugelassen sind, arbeiten für die Plattform, bei der sich alles darum dreht, Patienten schnell und diskret die für sie passenden rezeptpflichtigen Medikamente zu verschreiben. Die Auslieferung der Medikamente erfolgt durch eine der acht Partnerapotheken in der EU. Zunächst übermittelt der Patient Informationen über seinen Gesundheitszustand und seine Beschwerden. Der Online Arzt prüft den Fragebogen und entscheidet dann, ob ein Rezept ausgestellt wird. Ist die Entscheidung positiv, gibt Dokter Online das Rezept an die Partnerapotheke weiter, die den Versand an den Patienten übernimmt. Daneben können Kunden auf der Webseite auch rezeptfreie Medikamente im Shop einkaufen. Die Kosten richten sich nach dem ausgewählten Medikament und sind als Komplettpaket zu verstehen.
Fazit: Telemedizinportale bieten dem Patienten viele Chancen
Telemedizinportale bieten für Ärzte und Patienten ganz neue Chancen. Bevor Verbraucher sich für eine Onlinebehandlung entscheiden, sollte immer die Seriosität des Unternehmens geprüft werden. Ein wichtiger Hinweis bietet dabei neben einem Sitz in Deutschland die Anbindung an eine Forschungseinrichtung oder eine Kooperation mit Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen. Die breit aufgestellten Portale aus dem Ausland haben sich darauf spezialisiert, anhand von Fragebögen rezeptpflichtige Medikamente zu verschreiben. Ein Online Arzt ist dabei nur zur Prüfung der Angaben gefragt. Eine Praxis, die durchaus gefährlich sein kann, wie das ARD-Nachrichtenmagazin Kontraste in einem Beitrag aufgedeckt hat. Da die Verschreibung online in Großbritannien völlig legal ist, wird durch diesen Service das deutsche Sicherheitssystem komplett ausgehebelt. Denn das verlangt bei verschreibungspflichtigen Medikamenten vorab eine gründliche Untersuchung durch den Arzt. Dieser Meinung sind nicht nur deutsche Ärzte, sondern auch die Stiftung Warentest. Denn der Patient ist gar nicht in der Lage, bei der Bestellung eines Medikaments zu überblicken, ob dies tatsächlich auf seine Symptome und das zugrundeliegende Beschwerdebild passt. Die deutschen Anbieter wie Intimarzt setzen einen klaren Kontrapunkt zu dieser Geschäftspraxis. Der Trend geht hier zur ganzheitlichen Beratung, die der Patient auch in einer realen Arztpraxis erfahren würde. Das betrifft vor allem die Möglichkeit, Fotos einzusenden, damit der Online Arzt seine Empfehlung aufgrund der so wichtigen Blickdiagnose abgeben kann, wobei der Patient seine Anonymität nicht aufgeben muss. Ein wichtiger Punkt bei sensiblen Beschwerden, der vermuten lässt, dass der deutsche Online Arzt gerade in diesem Bereich in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen und dem niedergelassenen Mediziner ein wertvoller Partner werden kann.